Herr Dirk Budde, der jetztige Besitzer des historischen von Uffenbach´schen Anwesens, hat dem HAF Einblick in den derzeitigen Stand der Restaurierungsarbeiten ermöglicht und über seine Pläne zur Neugestaltung und zukünftigen Nutzung informiert. Aufnahmen März 2015
Nach dem Tod von Georg Lindheimer erbte sein Sohn aus zweiter Ehe,Thomas Lindheimer (etwa 1635-1712), das Anwesen, in dessen Besitz er 1691 nachweislich ist. Um 1715 heiratete die Tochter von Thomas Lindheimer, Anna Elisabeth, den Frankfurter Patrizier Friedrich von Uffenbach (1687-1769), der mit dieser Heirat in den Besitz des Anwesens kam. Zur Bedeutung der Lindheimers für Flörsheim und zu deren Stammbaum siehe hier.
Das ursprüngliche Haupthaus von Georg Lindheimer stammte offenbar von 1661, von dem noch das Erdgeschoss erhalten sein dürfte. Obergeschoss und Dach des heutigen Hauptgebäudes sind vermutlich später entstanden. Das Hauptgebäude wurde wahrscheinlich von Friedrich von Uffenbach ab 1715 umgebaut. Im Ergebnis ähnelt das Hauptgebäude dem Hauptgebäude des Frankfurter Hofes (bis auf die Frontästhetik), das in der gleichen Zeit entstand und ebenfalls einen Dachreiter hatte
Das südliche Nebengebäude gehörte zur Lindheimer´schen Hofreite und stammt aus der zweiten Hälfte des 17. Jhdts.. Der Konstruktion nach zu urteilen, befanden sich unten Stallungen und im Obergeschoss (Gesinde)wohnungen. Die Scheune dieser Hofreite stand im Norden des Geländes; vielleicht war es noch die Scheune, die Noerdlinger 1900 abreißen ließ (siehe weiter unten).
Am 16.6.1722 kaufte Friedrich von Uffenbach 2 Hofreitplacken von Sebastian Planck und Hans Jacob Thubic aus deren südlich gelegenen Hofreiten für 80 fl (GB-Eintrag hier). Das neu erkaufte Gelände hatte Kantenlängen von 65 (an der Ortsmauer), 52 (im Süden), 61 (im Westen), 52 (im Norden) Schuh, also eine Fläche von etwa 20 m x 16 m = 320 m² und war das erste Stück zu seinem südlich des Haupthauses gelegenen Garten. Zum Verlauf der Ortsmauer siehe hier.
Am 19. 5. 1729 erwarb Friedrich von Uffenbach von Sebastian Planck, Hans Jacob Thubic und Johannes Bernhard aus deren südlich gelegenen Grundstücken ein stück zu seinem garten, 123 Quadratruten für 41 fl. Der Gerichtschreiber vermerkt ausdrücklich, dass er mit einer "10 - schuhigen Rute" rechnet - d. h. es handelte sich um 1100 qm. Johannes Bernhard musste seine Scheune abreißen und daneben neu aufbauen - der Abstand zur Uffenbach´schen Mauer musste 1,5 Schuh (etwa 50 cm) betragen. Damit entstand 1729 die endgültige Größe des von Uffenbach´schen Anwesens. Bis auf geringfügige neuzeitliche Grenzverschiebungen ist dies die Fläche der Parzellen 11/2 und 12/1 (rechts).
1758 kaufte der Mainzische Rat von Gall (1723 - 1783) das von Uffenbach´sche Anwesen für 2050 fl. Das Wappen oben am Hauptgebäude zeigt die Jahreszahl 1758 (unten). Das Wappen über dem Hauseingang (Auschnittsvergrößerung unten) ist das derer von Gall. Es zeigt ein durch ein Tor springendes Pferd – seine Ehefrau war eine geborene Roßport (nach Ph. Schneider). Das Grab des Herrn von Gall befindet sich im Schiff der St. Gallus - Kirche vor der Kommunionbank, heute nicht mehr sichtbar.
Im Jahr 1800 erwarb der Flörsheimer Oberschultheiß Martin Neumann (1760 - 1820) das Anwesen von Gottfried von Gall (geb. 1755), dem ältesten Sohn von Jacob Daniel von Gall. Die große Jahreszahl 1803 im Wappen oben an der Frontseite des Haupthauses muss also auf Ihn zurückgehen. Die Buchstaben im Wappen MENM dürften für Martin und Elisabeth NeuMann stehen (Martin Neumann war mit Elisabeth Weinand verheiratet).
Eine der Töchter von Martin Neumann, Antonia, heiratete 1825 den Landwirt und Metzger Oswald Weilbacher (1802 - 1886), der das Anwesen übernahm und im gleichen Jahr dort die Gaststätte “Zum Nassauer Hof” eröffnete. Die Gaststätte befand sich im Erdgeschoss des Haupthauses, sie bestand bis 1867.
Über Franz Ruppert (1842 - 1896), Landwirt, ging das Anwesen 1896 an den Chemiefabrikanten Dr. Hugo Noerdlinger. Er ließ um 1900 die noch bestehende Scheune (nördliches Gebäude) abreißen und ein Verwaltungsgebäude (Kontor) und Lagerräume, das heutige Backsteingebäude, errichten. Die Familie Noerdlinger wohnte im Haupthaus, die eigentliche “Fabrik” befand sich in dem alten Südbau. Hergestellt wurden u. a. Chemikalien für Bauisolierungen und zur Schwammbekämpfung, Baumwachs, Insektenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel. Um 1910 verlagerte Noerdlinger die Fabrik in die Wickerer Straße. Er starb 1917, seine beiden Söhne in Gaskammern des dritten Reiches.
Von 1938 bis 1945 wurde das Kontor als SA-Heim benutzt. Bis 1945 wohnte die Familie Ernst Noerdlinger, Mitinhaber der Firma, im Haupthaus. Danach war das Anwesen im Besitz der Fa. “Gülden”, die im ehemaligen Kontor Kessel herstellte. 1956 wurden die Lagerräume von der Fa. Sarotti genutzt. 1961 erwarb Heinrich Faber, Möbelgroßhändler, Gelände und Gebäude. 1980 wurde der Faber´sche Firmensitz nach Kelkheim verlagert; die Flörsheimer Gebäude dienten weiter als Möbellager. Heinrich Faber starb 2008. Einige Angaben aus der Zeit nach 1800 stammen aus [Ciesielski/Mohr 2004], von Peter Josef Keller und der genealogischen Datenbank von Reinhard Lehrig.
Seit 2014 ist Dirk Budde Besitzer des Anwesens.
Wappen derer von Gall, es zeigt in diesem Ausschnitt ein durch ein Tor springendes Pferd
Das gesamte Anwesen ist als Einzeldenkmal des Hessischen Denkmalschutzes ausgewiesen. Im August 2015 wurde es mit einer Denkmalschutz - Förderurkunde des Kreises Main-Taunus ausgezeichnet. Anlässlich des Tages des offenen Denkmals 2015 in Flörsheim konnten sich interessierte Bürger ein Bild vom Stand der Bauarbeiten machen. Die Führungen übernahmen Herr Dirk Budde und der HAF.
Im Januar 2017 waren die Restaurierungs- und Umbauarbeiten weitgehend abgeschlossen und alle Wohnungen bewohnt. Herr Dirk Budde hat dem HAF wieder Zugang ermöglicht und die Baugeschichte erläutert. Dabei sind die folgenden Aufnahmen entstanden.
Die Historie dieses Anwesens (Nr. 95 in Plan A 1656, heutiger Katasterplan rechts) lässt sich rekonstruieren.
Im Jahr 1646 übernahm der Frankfurter Georg Lindheimer (1595-1672) durch Tausch die Hofreite Nr. 95 von Hans Kohl (nahe bey der oberpforthe, oben Zu das Brengisch Haus).1661 ist das Anwesen in seinem Besitz, das erklärt die bisher unverstandene und heute fast unleserliche Inschrift „1661 GLW“ über dem Kellereingang: Georg Lindheimer von Wurth. Er ist im Stockbuch 1656 mit diesem Namen aufgeführt, wobei die Bedeutung des Namenszusatzes “von Wurth” noch unklar ist. Es ist die zweitälteste interpretierbare Inschrift an einem Flörsheimer Gebäude und der Keller der zweitälteste datierbare Keller in Flörsheim.
Das Anwesen von Dirk Budde (2015) entspricht im Wesentlichen dem von Uffenbach´schen Anwesen von 1729 (Parzellen 11/2 und 12/1.
Jacob Daniel von Gall, 1723-1783 aus [Klockner/Theis 1984]
Martin Neumann, 1760-1820 Original im Museum Flörsheim
Oswald Weilbacher, 1802-1886 Original: Roland Schichtel
Oberes Wappen an der Frontseite, es zeigt die Jahreszahlen 1758 und 1803
Das Anwesen im Jahr 2012, Aufnahme vom Dachreiter der St. Gallus - Kirche aus
Friedrich von Uffenbach, 1687-1769, von hier