Wir Ober undt Underschultheiß, Gerichten, Gemeine Vor gänger undt Samptliche gemeindte

alhier Zu Flörsheimb ahm Mayn thun Kundt Undt beKennen hiermit offentlich, Vor uns Undt Unseren NachKommendten, dass in beyseins Unseren Verordneten AmbtsVerwalter Herrn Joanni Baptista Culman, wir heut Zu Endtgemeltem dato Unsere der Gemeinde Eygenthümbliche sommer Undt winder schaffweydt nicht allein in alhirischer Gemearkungh, sondern auch Unsere habende mitbetreibungsGerechtigKeit in Unserem den fünffdorff marckwalt auffrichtig undt endlich Ver Kaufft Undt Verliehen haben, Frawen Anna Helena Weylandt Johann Lindheimers Seel:frawen wittiben Zu f:furth Undt deren Erben, VerKauffen Undt Verleihen auch derselben solche Nahrungh Undt in Crafft Dieses hiermit aller Massen wie hernach Volgt Undt Zwar;

 1) So soll Fraw Lindheimer, dero Erben oder Rechtmässige habende dieses Brieffs gedachte Unsere schaffeweydt in alhirischer gemarckung sampt habender MittbetreibungsGerechtigKeit in obgemeltem Waldt, VierZehen Nacheinander Volgende Jahr Von Michaely dieses Jetzt LauffendenEin dausent Sechs hundert Ein Undt Neuntzisten Jahr Zu nehmen, Sommers Undt Winders Zeit so Vielen Schaff oder Hammel Vieh, als sie ausZubringen getrauen, Undt erhalten Können, Zu beschlagen, Zu betreiben Undt Nach dem besten Nutzen Zu geniesen Undt gebrauchen Macht haben.

 2) Das Brachfeldt soll Sommer Zeit wüstig gehalten Undt mitt Einigerley früchten, auser Krautt Undt rüben, so darin gehört, weiter im geringsten nicht besämet noch Verpraucht werden, damit der schäffer seinen freyen abtredt Zu triep auch Nahrung Vor das schaffVieh haben Möge.

 3) In dem Korn Stopfelfeldt soll nach gethaner Erndt weiter nicht das geringste  besämet Undt Verpraucht werden, als was Zu stopfelrüben ist, so den schäffer Zu Verschonen Undt Zu Hut schuldig Undt gehalten sein soll, Undt weilen yede Erndte Zeit das schaffVieh gemeinlich an Nahrungh Mangel leydt, also soll dem schäffer im Korn Stopfelfelldt auff anmeltung Undt Erforderter Nothurft Ein stück Zu betreiben Eingegeben werden, damit Er das schaffVieh ausbringen Undt erhalten Kann, da er dan hernacher auff Sanct Bartholomey das gantze Korn stopfelfeldt wir i(h)m gleich auff  Sct: Michealy das haber feldt Zu betreiben macht hat.

 4) Die wiesen Undt weyden wäsumb soll der schäffer Von Martini bis auff ostern Zu betreiben haben

 5) So soll der schäffer mit dem schaffVieh winder Zeit bey gefrohrenem wetter den gantzen weingartsberg die Nitterweingarten Undt was sonsten Umbs Dorff hergelegen, sowohl gebaute als wüste weingartten ohn Underscheidt Zu hütten Undt Zu betreiben macht haben, wobey gleichwollen austrücklich Vorbehalten, dass der schäffer die besämbte Drieser in den weingarten Verschonen, auch das schaffVieh mit den hunden nicht darin hetzen, auch Keinen Geisen Vieh halten noch mit eintreiben soll.

 6) Den Perch betreffendt soll fraw beständerin Jährlich acht Morgen, als Vier Morgen in der Perch Undt Vier Morgen im lentzelauff deren güttern Zu welcher Zeit sie will, Zu herchen macht haben, was den weyden gehärcht wirdt, soll auff die riche gehen, Undt dem schäffer eine Specification gegeben werden, wie Viel Er einer yeden Zu härchen hatt, Undt der Jenige denen sein Äcker gehärcht werden schuldig Undt gehalten sein, die früchten so darauff  Erwachsen wirdt, ohne Underscheidt, es seye Sommer oder winderfrüchte mit dem schäffer auff dem feldt Zu theilen, Undt frawen beständerin davon das Dritte theil Zu geben schuldig sein.

 7) Der Schäffer soll Zwey Kühe Undt Etliche stück schwein gantz frey Zu halten, Undt mit Under die Gemeindte Herdte auff die weydt Zu treiben macht haben, doch soll Er den gebührenden hürttenlohn davon Endtrichten, wie im gleichen soll der schäffer Undt die behausung darin wohnet wachtfrey gelassen auch sonsten mit Einquartierung allerdings gäntzlich Verschonet werden.

8) Es soll gleichfals fraw beständerin auff ihr habendes schaffVieh die geringste beschwernis noch aufflag nicht gesetzt noch geschlagen werden, es mag auch Nahmen haben wie es wolle, sondern allerdings darmit gantz befreyet sein, auch Ebenfals mit demJenigen ihrem Vieh so sie Kriegsgefahr halber etwa in Unsere Gemarkungh Undt an Unser ohrt flihen müsste, welche sie auff begebenden Nohtfall, wie im gleichen in der schaffschers Zeitt solches ihr Vieh Von anderen orthen an hero Zu bringen freye macht hatt.

 9) Daferners aber wider Verhoffen: welches doch Gott in Gnadten Verhütten wolle: Sie fraw beständerin oder die ihrigen Kriegsgefahr halber solche Unsere Ihr Nuhn Mehro Verliehene schaffweydt die bestandtenen Vier Zehn Jahr über nicht Völlig wie gehörig beschlagen Undt betreiben Köndte, sondern Einige Zeit daran Endtbehren, Undt sich mit ihrem Vieh anderwerdlich hin salviren müsste, als ist hiermit Clärlich Verabschiedet, dass sie alle dieJenige Zeit es sey nuhn Kurtz oder lang, Jahr oder Monat, sie wie gedacht Kriegsgefahr halber, nicht haben betreiben Undt geniesen Können, Nach Endigungh dieses bestandt ohne Einiges das Geringste weiter Endgelts hir widerumb so lange Zeit Noch Zu betreiben Undt geniesen macht haben solle.

 10) Über obgemelte alle diese punckte Unserer Verliehenen schaffweydt haben wir Gemeindte Flörsheimb mehr gedachte fraw beständerin Undt deren Erben ferner Unseren Gemeinschafftlichen Auw Acker die bestimbte Vier Zehen Jahr bis Zu Endigung dieser leye allerdings frey Zu geniesen Undt Zu benutzen, hiermit gleichfals Verliehen Undt begeben.

 11) Wollte aber fraw beständerin  dero Erben oder rechtmesige Inhaber dieses brieffs solcheUnsere Jetzt Verliehene Schaffweydt Undt Unseren Auw Acker nicht selbsten beschlagen Undt betreiben lassen, Ist ihnen ohnbenohmen  sondern haben Freye macht Undt gewalt diesen bestandt an einen anderen, wohin sie wollen, auch so gut sie Können oder mögen hir widerumb Zu begeben Undt Zu Verleihen, doch Solle ZuVor denen der Gemeindt gebührende nachricht gegeben werden.

 12) Vor Nutz Undt Niesung obgedachten Unserer Schaffweydt Undt des Auw ackers hatt fraw Anna Helena Lindheimerin Unserer Gemeindte Flörsheimb Zu augenscheinlichen Nutzen Undt auslösungh ...¦ Versetzten Auw Zwölff Hundert Gülden bahres geldt franckfuhrter wehrungh Zu 30 alb Vorgeschossen Undt beZahlt, als worüber wir sie nicht allein bester Massen quittiren thun, sondern Versprechen auch hiermit Vor Uns Undt Unseren NachKommenden, dass dieser bestandt Vorgeschriebener Massen Ihr fraw beständerin, dero Erben oder ErbNehmenden auch rechtMässig inhaber dieses brieffs auffrichtig Undt redlich soll ausgehalten werden.

Dessen Zu wahren VerKündt seindt dieser bestandtbrieff  Zwey gleichlaudente auffgerichtet beyderseits Underschrieben, Mitt dem Gewöhnlichen Gerichts Sigell beCräfftiget, Undt Jedem theil Einer Nachricht Zugestellet worden, So Geschehen Flörsheimb den 12ten Decembris Im Jahr nach Cristi Unseres Einigen Erlösers Undt Seelig machender Gebuhrt Ein Taussendt Sechs Hundert Neuntzig Eins.

Was mit gnädigem Vorwiessen und Consens des hochwürdigen und hochwohlgebohrenen HerrnChristoph Rudolphs freyherrn Von Stadion, jetztigem Dhombdechandts allhier, diese Verleyhung der Flörsheimber Schaffweydt also Vergangen und geschlossen worden, wird aus dem gnädigenbefelch attestiert.

Mäintz den 30ten Decembris Anno 1691

Johann Baptist Culman derZeit AmbtsVerwalter Zu Hochheimb und Flörsheimb

Anna Helena Lindheimerin

Erste und letzte Seite des siebenseitigen Vertrages zwischen dem Flörsheimer Gericht und Frau Anna Helena Lindheimer HHStAW 105/370

Frau Anna Helena Lindheimer, die Witwe des vor 1676 verstorbenen Johann Lindheimer pachtet von der Gemeinde Flörsheim 1691 die sommer undt winder schaffweydt. Mit Schafweide ist hier nicht ein festgelegtes, abgegrenztes Gelände gemeint, sondern die Lindheimerin pachtet das Recht, auf bestimmten, von der Gemeinde dafür freigegebenen Gemarkungsbereichen  und im Fünfdorfmarkwald im Sommer und im Winter ihre Schafe weiden zu lassen.

1) Der Vertrag läuft über 14 Jahre und beginnt mit Michaely 1691 (29. September)

2) Das Brachfeld darf nicht eingesät oder anders genutzt werden außer für Kraut (Weißkohl) und Rüben (Steckrüben), siehe auch hier, damit der Schäfer freien Zu- und Abtrieb hat, und die Schafe Futter finden können, siehe Landwirtschaft-Ackerbau .

3) Das Roggenstoppelfeld darf nach der Getreideernte weder eingesät noch anders genutzt werden, auch nicht für die Schafe. Da aber erfahrungsgemäß zu jeder Erntezeit Futtermangel für die Schafe herrscht, kann, wenn es notwendig ist, dem Schäfer ein bestimmter Bereich des Stoppelfeldes als Schafweide zugewiesen werden. Nach Bartholomey (24. August) steht dem Schäfer das gesamte Roggenstoppelfeld und nach Michaely (29. September) auch das Haferstoppelfeld als Schafweide zur Verfügung.

4) Von Martini (11. November) bis Ostern kann der Schäfer auch die Wiesen und (Kuh) Weiden nutzen.

5) Im Winter bei Frost kann der Schäfer den gesamten Bereich der Niederweingärten und die um das Dorf herum liegenden Weingärten als Schafweide nutzen mit Ausnahme von eingesäten Weinanbauflächen. Ziegen sind ausgeschlossen.

6) Als Pferch und Pferchumfeld stehen der Pächterin 8 Morgen Land zu. Der Pächterin steht es frei, zu härchen, wann sie will; der Schäfer erhält Anweisungen, wo und wieviel gehärcht wird. Das Getreide, das auf einem geherchten Acker wächst, gehört zu einem Drittel der Pächterin, den Rest teilen sich der Schäfer und der Ackerbesitzer. Unter herchen/härchen verstand man das Düngen des Bodens in einem (transportablen) Pferch durch die Ausscheidungen der Schafe.

7) Der Schäfer darf zwei Kühe und einige Schweine halten und die Kühe mit der Gemeindeherde auf die Weiden treiben, muss aber zum Lohn des Kuhhirten beitragen. Seine Behausung bleibt wachtfrey, das heißt er muss sich nicht an den für Hofreiten festgelegten Kosten für Schützen und Nachtwächter beteiligen. Auch bleibt seine Behausung von Einquartierungen verschont.

8) Für die Schafherde ist die  Pächterin von allen Steuern und sonstigen Abgaben befreit. Sie hat das Recht, wenn Kriegszeiten dies erzwingen, Schafe von anderswo nach Flörsheim zu bringen; das gilt auch für die Zeit der Schafschur.

9) Falls die Pächterin bei Kriegsgefahr gezwungen wäre, mit der Schafherde Flörsheim zu verlassen, werden diese Zeiten als Ausfallzeiten gerechnet und der Pachtvertrag entsprechend verlängert.

10) Der Pachtvertrag beinhaltet auch das Recht, den Gemeindeacker in der Au frei zu nutzen.

11) Wenn die Pächterin die Schafwirtschaft oder die Nutzung des Auackers nicht selbst betreiben will, ist es ihr unbenommen, an eine andere Person weiter zu verpachten; das Gericht erwartet in dem Fall eine entsprechende Benachrichtigung.

12) Anna Lindheimer zahlt im voraus 1200 fl; das Gericht garantiert die Gültigkeit des Vertrages auch für ihre Erben.

Die Urkunde trägt das Siegel des Flörsheimer Gerichts und die Unterschriften des Amtsverwalters Johann Baptist Culmann und von Anna Helena Lindheimer.

Schafherde, Schäferei Eichhorn

Schäferkarren, Freilandmuseum Bad Windsheim

Erläuterungen am Ende der Seite in Blauer Schrift.

Verpachtung der Schafweide 1691