Die Protokollnotizen in dieser Spalte sind den drei bisher erschienen Bänden [Protokolle des Mainzer Domkapitels 1974/1976] entnommen. In dieser Bearbeitung stehen Originaltextstellen in Anführungszeichen. Diese Schreibweise wird hier übernommem, Originaltexte sind daher in dieser Spalte nicht, wie sonst auf diesen Webseiten üblich, kursiv geschrieben. Kommentare in blauer Schrift.

1466 Mai 30
Königstein wird geschrieben, dass es (das Domkapitel) sich wundere, dass er den Einwohnern von Hochheim und Flörsheim Drohbriefe geschrieben hat.
1433 hatte sich die Herrschaft Eppstein in zwei Linien aufgespalten: Eppstein-Münzenberg und Eppstein-Königstein.

1466 Oktober 27
Der Ort Flörsheim soll, ebenso wie kürzlich Hochheim, "ad manus, tutelam et defensionem" des Eb. gestellt werden.
Das Domkapitel unterstellt Hochheim und Flörsheim dem Mainzer Erzbischof (Adolph von Nassau) zum Schutz und zur Verteidigung. Der Grund war, dass das Domkapitel befürchtete, die Eppsteiner könnten Gewalt gegen Flörsheimer Einwohner anwenden, was sie angedroht hatten, siehe obiger Eintrag und weiter unten. Das Domkapitel verfügte über keine Truppen.
In der entsprechenden Urkunde wird zwischen Flörsheimer Bürgern und Einwohnern unterschieden, wobei man vermuten kann, dass mit “Bürger” die Untertanen des Domkapitels und mit “Einwohner” Eigenleute/Leibeigene anderer Herrschaften, insbesondere von Eppstein, gemeint sind

1478 Januar 20
Die dem Junker von Königstein angehörigen armen Leute in Flörsheim werden angewiesen, ihm nicht zu geloben oder Atzung und Schatzung zu geben, sondern ihm nur nach dem ihnen früher vom Kap. gewordenen Bescheid 6 alb und 1 Fastnachtshuhn zu geben.
“Arme Leute” bezeichnet Eigenleute oder Leibeigene. Offenbar hatten die Eppsteiner Eigenleute eine gewisse Freizügigkeit und konnten sich in Flörsheim niederlassen, ohne dass die Eppsteiner sie zurückfordern konnten. Das Domkapitel akzeptiert das Recht des Junkers von Königstein auf die Leibbede, allerdings nur in der alten Höhe.

 1478 Mai 26
Der Herr von Königstein bittet, wie bereits früher, dass man ihm von seinen angehörigen Leuten in Flörsheim die "lipbede" folgen lasse, wie sie seinen Voreltern vor hundert Jahren gegeben worden sei.
Antwort: Das Kap. hat seine Meinung ihm schon früher geschrieben und will auch bei ihm zulassen, wie es andere Herren zu tun pflegen.
Erwartungsgemäß hatten sich nach dem Verkauf Flörsheims 1270 und “vor hundert Jahren” Eigenleute vorwiegend aus Wicker und Weilbach in Flörsheim niedergelassen, mussten aber die Leibbede weiter an Eppstein zahlen

Eingabe der Eppsteiner Eigenleute/Leibeigenen in Flörsheim:
"Gnedigen, erwirdigen lieben herren! disz ist dye beclagung der armen lude zu Flerszheym, die Konisteyns sind.
Zum ersten, daz er yme heyscht 32 fl an golde, daz doch sin solt mentzer werunge, alsz isz uff uns komen ist und isz bezalt han zwentzig jare lang oder mer; und wissen doch nit, wie die bede uff us gesatzt ist, daz mir mer beschwert sin dan ander lude, die ander herrschafft angehorent, die auch zu Flerszheym hinder unseren gnedigen herrn sitzent.
Item hait unser jungherr von Konigsteyn atzung gehapt in syme lande zu Wicker und Wilbach, die hait er vorkauft und leget nu die atzung geyn Eydersheym, und wert dort vertzert jaersz mer dan zwentzig odder by drissig fl. die zerunge und atzunge ist vor zehen oder zwelff jaren nit gewest, und schlecht sie uff dei armen lude zu Flerszheym, die yn angehoren.
Item sint die armen lude zu Flerszheym, die unseren jungherrn von Konicksteyn angehoren, die sollich gelt jarsz geben sollen und bezalen müssen, 18 oder zwentzig ungewerlich und zu Edderszheym 10 mer der ungeverlich, die mit uns bezalen müssen sollich gelt.
Item wan mir jars eyn mall komen und verbott werden zu samen, so komen wir geyn Eyderszheym. do müssen mir nieder sitzen und müssen sollich 32 fl , dye uns unszer jungherr heyscht zu bede, und zwentzig odder drissig fl, die versetzt sint worden zu Eyderszheym, under uns deylen und uff die guder setzen, die wyr hynder unsern gnedigen herrn zu dome zu Flerszheym ligend han, und doch nicht von unserm jungherrn odder hinder yme und in synen gerichten odder gebitten han oder eygenthumsz, sunder unser gnedigen herrn gutter zu thume  domit beschwert werden.
Erwirdigen gnedigen lieben herrn! begeren wir armen undertheniclich, unser gnedigen herrn wollen uns armen dar inne versorgen und behulfflich sin, daz wyr mochten bliben byn zymelichen  libs bede als andern armen lude, die auch hinder unszern gnedigen herrn zu thume zu Flerszheym sitzen und doch ander libs herrn han, den sie jerlich zinsz und libesz bede geben, der etliche geben 3 alb und 1 hune, etliche 3 thurnisz und 1 hune, etliche 6 alb und ein hune, dasz wyr williclich und gern geben wolten mit dem meynsten und nit mit den mynsten".
Die Eppsteiner Eigenleute in Flörsheim beklagen sich, dass sie jetzt mit 32 Goldgulden Leibbede belastet werden sollen, was sehr viel mehr sei, als Eigenleute anderer Herrschaften, die in Flörsheim leben, zahlen müssen. In Flörsheim leben etwa 20 und in Eddersheim etwa 10 Eppsteiner Eigenleute. Nimmt man die höchste angegebene Vergleichsbede von 1 Huhn und 6 alb im Wert von ca. 15 alb, bedeutete das mehr als eine Verdoppelung der Leibbede.
Sie argumentieren, dass sie, da sie das nicht aufbringen können, gezwungen seien, Güter, die nicht den Eppsteinern sondern dem Domkapitel gehören, zu verpfänden, was das Domkapitel nicht zulassen konnte. Sie seien aber bereit 6 alb und 1 Huhn zu zahlen.

1479 März 1
Der erschienene Junker von Königstein bittet das Kap. zu gestatten, dass die ihm gehörigen armen Leute zu Flörsheim ihm Bede und Schatzung geben, wie das von seinem Vater her auf ihn selbst gekommen sei.
Antwort: Man will die Verschreibung einsehen und morgen antworten; Königstein erwidert, länger werde er auch nicht auf Antwort warten.

1479 März 2
Königstein wird geantwortet, man wolle "ime ungern in das sin und nach einem mynnern tragen" und bitten ihn, die armen Leute dabei bleiben zu lassen, und die Bede so zu nehmen, wie es andere Herren mit ihren unter fremden Herrschaften sitzenden Angehörigen zu tun pflegen. Will er das nicht, so erbietet sich das Kap. zu Recht vor dem Eb., bittet aber nochmals, er möge es damit halten wie andere Herren und wie es "lentlich und gewonlich " ist.
Das Domkapitel bleibt zunächst hart und verlangt, dass die Eppsteiner keine höhere Leibbede fordern als es für alle Herrschaften, die Eigenleute in Flörsheim haben, üblich ist. Wenn sie das ablehnen, soll der Erzbischof Recht sprechen.

1479 März 4
Der Junker von Königstein lässt seinen Einspruch gegen die ihm in der Flörsheimer Sache gewordene Antwort des Kap. vortragen: Es sei unrecht, "ine darin zu tragen, das sin vater bys in sinen toit besessen und uff ine bracht hait", auch sei er früher vom Kap. nicht darum angegangen worden und wolle also mit dem Kap. vor das eb. Gericht gehen.
Das Kap. antwortet, es bestreite des Junkers Recht in Flörsheim, da es das Dorf mit aller Oberkeit und Gerechtigkeit laut der besiegelten Verschreibung von seinen Voreltern gekauft habe; möglich sei, dass sein Vater dort während der Stiftsfehde etwas ohne des Kap. Wissen vorgenommen habe, es habe aber, sobald es davon erfahren, dagegen protestiert. Es bleibt also bei seiner Auffassung und dem Erbieten, vor dem Eb. zu Recht zu stehen.
Darauf lässt von Königstein sagen, wenn er nun wegen seiner Ansprüche seine Leute vornehme oder pfände, möge das Kap. "darin nit unwillen empfangen".
Das Kap. vertraut ihm, dass er gegen die Flörsheimer keine Gewalt gebrauche.
Der Junker von Königstein erhebt Einspruch gegen die Entscheidung des Domkapitels und sagt, es sei unrecht, ihm ein Recht, das er von seinem Vater übernommen hat, vorzuenthalten.
Das Domkapitel bestreitet des Junkers Recht, da es Flörsheim von seinen Voreltern mit allen Gerechtigkeiten gekauft habe (Vertrag von 1270). Das heißt, das Domkapitel bestreitet, das der Junker überhaupt das Recht hat, von aus der Herrschaft Eppstein nach Flörsheim gezogenen Leuten Leibbede zu fordern. Indirekt sagt es damit, dass die Zugezogenen keine Eppsteiner Eigenleute mehr sind. Dann ist aber unklar, warum es bis dato den Einzug der Leibbede zugelassen hatte.
Das Problem scheint in der Formulierung “hominibus ibidem existentibus vel redire volentibus” des Vertrages zu liegen. Die so beschriebenen Menschen wurden verkauft. Nach dem genauen Wortlaut “die dort lebenden Menschen und die, die zurückgehen (redire) wollen (von wo nach wo?)”. Es könnten  aber auch die Menschen gemeint sein, die dorthin (nach Flörsheim) ziehen wollen. Offenbar wurde dieser Vertrag von beiden Seiten unterschiedlich interpretiert.
Der Junker von Königstein droht, seine Leute in Flörsheim “vorzunehmen” oder zu pfänden, das Domkapitel erwartet, dass er keine Gewalt anwendet.

1479 März 19
Das Kap. gestattet den königsteinischen Leuten in Flörsheim die Entrichtung der Leibsbede; es will ihnen das nicht wehren. Die Domherren wollen es aber auch nicht befehlen, lassen es vielmehr zu, jedoch "an irer gerechtigkeit unschedelich".
Das Domkapitel will offenbar eine Eskalation vermeiden und lässt die Zahlung einer Leibbede zu, befiehlt aber auch nicht die Zahlung (in welcher Höhe?). Den Schwarzen Peter haben jetzt die eppsteinischen Leute.

1479 März 20
Die von Flörsheim haben sich zur Zahlung der seit drei Jahren rückständigen Leibsbede an den Junker von Königstein bereit gefunden in der Hoffnung, dass das Kap. sie um des Friedens willen daran nicht hindert.
Als von Königstein die hörte, lehnte er das Angebot ab und ließ sagen, er verlange auch die zu Eddersheim verzehrte Atzung im Betrag von 150 fl, wovon die Flörsheimer die Hälfte bezahlen müssten. Diese erklären dem Kap., dass sie dazu nicht imstande seien, und erbitten Hilfe, "dan sie muszen ire ecker, wiesen und wingarten buwen und konnen nit in dem dorff verbliben, das sie auch sicher sin".
Das Kap. erbietet sich wiederum zu Recht vor dem Eb., und als der Junker einwandte, er sei nicht schuldig, "gepfant zu tag zu kommen, das myn herrn nit gesteen", will es auch darüber den Eb. entscheiden lassen und erst dann "mit ime in die heuptsach griffen". Doch hat es das Vertrauen zu dem Junker, dass er die Flörsheimer darüber nicht bedränge und nur nehme, was ihm zustehe.
Die eppsteinischen Leute in Flörsheim wollen die Bede samt Rückstände bezahlen. Das lehnt jetzt der Junker ab und fordert zusätzlich noch 150 fl Atzung (Verpflegungsgeld/Unterhaltsgeld). Die eppsteinischen Leute sehen sich außerstande, die Summe aufzubringen und bitten um Hilfe, auch, weil sie ihre Äcker, Wiesen und Weingärten bewirtschaften müssen, das Dorf aber nicht verlassen können, weil sie sonst nicht sicher sind.
Hier wird deutlich, was der eigentliche Grund für den Bau der Landwehr war: Außerhalb des Dorfes waren Flörsheimer Einwohner vor Übergriffen der Eppsteiner nicht sicher. Wesentlicher  Zweck der Landwehr war, solche Übergriffe zu erschweren.
Das Domkapitel bietet nochmals an, den Erzbischof entscheiden zu lassen.

1479 April 21
Der Junker von Königstein lässt durch Simon von Ursel das Anliegen betr. die hergebrachten Abgaben seiner armen Leute in Flörsheim nochmals vorbringen.
Das Kap. bleibt bei den früheren Beschlüssen und will mit ihm vor den Eb. zu Recht gehen; dort mögen beide Teile ihre Ansichten vorbringen, und bei der Entscheidung des Eb. soll es bleiben.
Simon antwortet, "wie sin jungherr dannach noch gepfent zu tag komen moge, des er nit pflichtig sy", und droht schließlich, jener werde "zu denen von Flerszheim griffen".
Das Kap. vertraut, dass er das nicht tut und sich an dem Erbieten des Kap. genügen lasse; geht er darüber hinaus, "muszen sie auch etwas dagegen gedencken".
Das Domkapitel bleibt bei seinem Angebot, den Erzbischof entscheiden zu lassen. Auch das lehnt der Junker jetzt ab. Er droht mit Gewalt gegen die Flörsheimer; das Domkapitel meint, in solchem Fall etwas dagegen unternehmen zu müssen.

1483 September 6
Auf dem von Junker von Solms auf heute angesetzten gütlichen Tag zwischen Kap. und denen von Königstein wegen der armen Leute zu Flörsheim, Bede, Atzung etc. kam es zu folgendem Abschied: Das Kap. kauft die armen Leute zu Flörsheim und ihre Erben von Königstein für eine 500 fl nicht übersteigende Summe, die bei dem Junker von Solms zu hinterlegen ist, "und der hinderstant soll zu sinen gnaden steen, doch das nichts dafür geben werde".
Falls etliche königsteinische Leute nach Flörsheim ziehen, sollen sie, solange sie dort wohnen, dem Kap. zustehen, ziehen sie aber wieder unter die Herren von Königstein, sind sie wieder königsteinisch; ziehen sie aber untere andere Herren, so sollen sie dem Kap. zustehen und verbleiben.
Diesen Vorschlag wird man an das Kap. und ebenso an die Königsteinischen bringen lassen und die Antwort mitteilen.
Der Junker von Solms vermittelt in der Sache. Sein Vorschlag: Das Domkapitel kauft von Königstein für maximal 500 fl die eppsteinischen “Eigenleute” zu Flörsheim. Die Summe soll bei Ihm hinterlegt werden. Der Vorschlag soll dem Domkapitel und Königstein vorgelegt werden.

Die Protokolle des Domkapitels zwischen 1485 und 1514 sind bezüglich dieses Streites zwischen Königstein und Domkapitel noch nicht ausgewertet, so dass zur Zeit noch nicht belegbar ist, ob die Vermittlung Erfolg hatte. Das scheint aber nicht so gewesen zu sein. Zwischen 1514 und 1527 gibt es zwar keine Protokolleinträge, die auf Differenzen hindeuten, aber ab 1527 beginnt der Streit erneut, wie die folgenden Einträge zeigen.

1527 August 3
Die Königsteinischen Räte haben den Eb. ersucht, ihnen zur Leibsbede von den Eigenleuten zu verhelfen, die ihr Herr in Hochheim und Flörsheim habe. Kap. will nach Bedenken antworten.
Offenbar war das Problem nicht im Grundsatz (Vertragsinterpretationen) gelöst, sondern durch den Kauf der eppsteinischen “Eigenleute” nur zeitweise aus der Welt geschafft worden. Da sicher auch nach 1483  Eppsteiner Eigenleute nach Flörsheim gezogen sind, fordern die Königsteiner von diesen die Leibbede.

1527 September 24
Der mit 4 Königsteinischen Leibeigenen, nämlich Val. von Massenheim, Alheim Pfeiffer, Ort Scheffer und dessen Bruder Ortenhenchen, erschienene Schultheiß von Hochheim zeigt an, es gebe jeder derselben dem von Königstein jährlich "4 und nit über 5 alb"; soviel sei jährlich bezahlt und nicht mehr gefordert, auch ihm selbst deswegen nichts ge- oder verboten worden.
Der Schultheiß von Flörsheim hat nur 3 Königsteiner Männer mitgebracht, will aber dem Kap. ein vollständiges Verzeichnis einreichen. Er erklärt, es sei vor ca. 20 Jahren Atzung gefordert, aber nicht gegeben worden, auch habe man seitens Königsteins " weder volge, fron, dinst noch bethe gefordert noch ufgehaben. item es seyen auch etliche aigene menner, die aufs haus gen Eppstein geboren".
Der Schultheiß von Flörsheim erklärt, dass die Königsteiner in letzter Zeit weder Kriegsfolge, Fron- oder sonstige Dienste noch Leibbede gefordert haben, und dass es in Flörsheim etliche Nachkommen von Eppsteiner “Eigenleuten” gibt.
 Interessant ist, dass der Protokollant keinen Unterschied zwischen Eigenleuten und Leibeigenen macht, auch wenn in den Einträgen von 1527 vorwiegend der Bergriff  “Eigenleute” benutzt wird.

1527 Oktober 27
Lic. Pfaff soll angesprochen werden, dass er auf dem zwischen Königstein und dem Kap. wegen der Leibeigenen zu Flörsheim und Hochheim angesetzten Tag vor dem Eb. oder seinen Räten rede. Auch sollen die Schultheiße der beiden Dörfer beschrieben werden, dass sie mit je 3, und zwar den ältesten und "dapfersten" Königsteinischen Eigenleuten zugegen sind.
Vor dem Erzbischof (Albrecht von Brandenburg) wird ein Verhandlungstag angesetz; die Schultheiße von Hochheim und Flörsheim sollen mit den drei ältesten und tapfersten Königsteiner Eigenleuten erscheinen. 

1527 November 5
Nach Verlesung des gestern von den Mainzischen Räten genommenen Abschieds in Sachen Königstein - Domkap. betr. die Eigenleute von Flörsheim und Hochheim wird beschlossen: die Deputierten sollen den Räten als Verhörern der Sache sagen, sie hätten gestern " genugsam gehort und wol vermerkt, daß Königstein etc. keinen grund oder auch genugsam possesion seiner angemasten fordrung dargetan het, auch nit dartun kundt", weshalb man sie bitte, Königstein zum Abstehen von seiner Forderung und dazu zu vermögen, dass er von seinen Eigenleuten so viel nehme wie andere Herren, die dort gleichfalls eigene Leute hätten. Gegen solche und gebührliche Leibsbede wird sich Kap. nicht sträuben; wird dies aber abgelehnt, so will es sich vor dem Eb. als Ordinarius und Landesfürsten, vor dem Schwäb. Bund, vor dem Kaiserl. Kammergericht oder Regiment und vor allen Kurfürsten des Reichs zu rechtlichem Antrag der Sache erboten haben.
Das Domkapitel gibt seinen Deputierten den Auftrag klarzustellen, dass  Königstein  keinen Grund und keine Grundlage für seine anmaßenden Forderungen habe, und diese auch nicht belegen könne. Es sträubt sich aber nicht gegen eine gebührende Leibbede. Offenbar waren die Königsteiner wieder mit überzogenen Forderungen gekommen.

1527 November 6
In Sachen der Königsteiner Eigenleute zu Flörsheim und Hochheim erhalten Lic. Pfaff und der Sekr. nochmals Befehl, den Mainzischen Räten als Verhörern die gestrige Antwort zu geben, doch sollten sie "zu uberfluß nit aus gerechtigkeit, sondern aus fruntlicher nachparschaft" Königstein 50-60 fl für den Verzicht auf die Eigenleute und alle Ansprüche an- und im Falle der Ablehnung sich abermals zu Recht erbieten.
Nicht weil es rechtens wäre, sondern im Interesse einer guten Nachbarschaft bietet das Domkapitel Königstein 50-60 fl für den Verzicht auf ihre Eigenleute.

1527 November 12
Betr. Königsteinische Eigenleute zu Flörsheim und Hochheim. Eb. soll über die Verhandlungen des Kap. mit Königstein wegen seiner Ansprüche auf beständige Bede und Notdienst seitens der gen. Eigenleute informiert werden. Da der Gegner nicht abstehen will, erbietet sich Kap. zu Recht vor dem Eb. als seinem Herrn und bittet um Schutz gegen Unbilligkeit, ansonst es den Rechtsweg am Kais. Regiment oder Kammergericht beschreiten müsse, damit es sich gegen Königstein "gewalts aufhalten" könne.
Königstein hat offenbar abgelehnt. Der lächerlich geringe angebotene Betrag könnte auch eine bewusste Provokation des Domkapitels gewesen sein, so dass die Königsteiner ablehnen mussten. Vielleicht wollte das Domkapitel eine Grundsatzentscheidung erreichen.
Das Domkapitel fühlt sich in der Oberhand; es bittet den Erzbischof um Schutz und droht, bis zum Reichskammergericht zu gehen
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Nach 1527 gibt es in den Protokollen keine Einträge zu diesem Streit mehr. Zu dieser Zeit war die Kasteler Landwehr fertiggestellt und die Flörsheimer steinerne Ortsbefestigung weit fortgeschritten.
Die Herrschaft Eppstein war bereits deutlich geschwächt. Schon 1492 musste sie die Hälfte des Eppsteinischen Besitzes an die Landgrafschaft Hessen verkaufen. 1522 war die Linie Eppstein-Münzenberg ausgestorben. Der letzte Vertreter der Linie Eppstein-Königstein, Eberhard IV, starb 1535. 1581 annektierte Kurmainz die Grafschaft Königstein. Wicker und Weilbach kamen zum Domkapitel.

Die Ausschnitte der Protokolle des Domkapitels rechts beziehen sich auf einen Streit der Herrschaft Eppstein mit dem Mainzer Domkapitel zwischen 1466 und 1527 um die in Flörsheim lebenden Eppsteinischen Eigenleute, der seitens Eppstein mit Gewaltandrohung verbunden war. Diese Ereignisse allein sind schon interessant, aber darüber hinaus lassen sich aus diesen Protokolleinträgen auch Schlussfolgerungen bezüglich der Untertanensituation der Flörsheimer in der frühen Neuzeit ziehen.
Um das Thema Eigenleute/Leibeigene (arme Leute) in seiner Bedeutung für Flörsheim beleuchten zu können, ist es sinnvoll, etwas weiter auszuholen.
Der Rechtsstand der Menschen im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit in verschiedenen Gegenden des Reiches reichte von “frei” über “Eigenleute” über “Leibeigene” bis, nach Ansicht mancher Historiker, zur “Sklaverei” im Osten des Reiches; dabei war der Rechtsstand zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Man kann drei Arten von “Herrschaft” unterscheiden: Grundherrschaft, Gerichtsherrschaft und Leibherrschaft. Die drei Herrschaftsausprägungen mussten nicht zwangsläufig zur gleichen Obrigkeit (Adel, Bischöfe, Klöster) gehören.
Dabei sind Grundherrschaft und Leibherrschaft keine historischen Begriffe sondern Bezeichnungen der neueren historischen Wissenschaft [Blickle 2003].
Im historischen Kontext gibt es die “Herrschaft” und die “Eigenschaft” [Blickle 2003], die sich gegenseitig bedingten.

Zu Beginn des 16. Jhdts. waren die Menschen, die unter diesen Herrschaften lebten, nicht länger gewillt, widerspruchslos solche Lebensumstände hinzunehmen und begannen die “Rechte” der Obrigkeiten, die zu solchen Einschränkungen der “Freiheit” führte, in Frage zu stellen.
In Memmingen entstanden 1525 die “Zwölf Artikel”, in denen die Bauern ihre Forderungen formulierten und in erster Linie mit der göttlichen Ordnung begründeten. Hier wie auch in anderen Petitionen hatte die Forderung nach Aufhebung der Leibeigenschaft hohe Priorität. Nicht die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Bauern stand im Vordergrund, sondern die Erlangung von Freiheit durch Abschaffung der Leibeigenschaft [Blickle 2003].
Die heftigsten und weiträumigsten Widerstände der Bauern manifestierte sich in den Bauernaufständen 1524-1526 im Süden des Reiches vorwiegend in Württemberg und Schwaben. Die Aufstände wurden von den betroffenen Herrschaften blutig niedergeschlagen. Etwa 100.000 Bauern verloren ihr Leben; 1000 Burgen und Klöster wurden zerstört.
1526 wurde auf dem Reichstag in Speyer der Große Ausschuss eingesetzt, der die Hintergründe der Aufstände analysierte und Veränderungen beschloss, die aber keinen reichsweit verbindlichen Charakter haben konnten.
Insgesamt hatten die Aufstände nicht die von den Bauern erhoffte Wirkung. In Einzelfällen gelang es allerdings den Bauern, Verträge mit der Herrschaft abzuschließen, die insbesondere bei den Merkmalen der Leibeigenschaft zu Verbesserungen führten, so z. B. in Memmingen, wo Be- schränkungen der Freizügigkeit und Ehefreiheit aufgehoben wurden, oder das Besthaupt wurde in eine vermögensabhängige Erbschaftsteuer in Geldform umgewandelt [Blickle 2003, 2004].

Die 12 Artikel von 1525, Titelseite einer Flugschrift
Wikipedia

Nach dem 30jährigen Krieg und den hohen Bevölkerungs- und Arbeitskraftverlusten verschlimmerte sich die Situation der Leibeigenen insbesondere im Norden und Osten des Reiches. Bauernhöfe verschwanden zugunsten von Rittergütern, die von fast rechtlosen Leibeigenen bewirtschaftet wurden.
Im sog. Wildfangstreit in der Mitte des 17. Jhdts. versuchte der Kurfürst der Pfalz durchzusetzen, dass alle Leute, die sich in seinem Territorium niederließen, zu seinen Leibeigenen wurden, wobei nicht klar war, was sein Territorium war. Dieser Streit, in den alle Kurfürsten und der Kaiser involviert waren, hätte fast zu einer reichsweiten militärischen Auseinandersetzung geführt [Blickle 2003]. Erst um 1800, auch als eine der Folgen der Französischen Revolution, wurde die Leibeigenschaft in den meisten Territorien formal aufgehoben, in Nassau im Jahr 1806.

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Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Lebensverhältnisse der Flörsheimer im Hinblick auf ihren Status als Eigenleute/Leibeigene im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit zu rekonstruieren.

1270 verkauften die Grafen von Eppstein ihr Dorf Flörsheim (villam nostram flersheim) mit Äckern, Weingärten, Höfen, Wiesen, Weiden, Mühlen, Gewässern, Wäldern und bebautes und unbebautes Land. Mit verkauft werden die dort lebenden Menschen und die, die zurückkehren wollen und diejenigen, die an einem anderen Ort geduldet werden und hier Erbschaft haben. Ausgenommen sind lediglich ihre Ministerialen und ihre Kinder und der Jäger Theoderich, die jedoch der Gerichtsbarkeit des Domkapitels unterliegen.

Ministerialen waren Eigenleute, die keinen Hof bewirtschafteten, sondern mit Verwaltungsaufgaben betraut waren; Ministerialen stiegen nicht selten in den niederen Adel auf. Bei den Eppsteiner Ministerialen in Flörsheim kann es sich nur um eine Handvoll Leute gehandelt haben; in einem Dorf mit wenigen hundert Einwohnern gab es nicht viel zu verwalten. Ein Flörsheimer Gericht gab es noch nicht, die Flörsheimer waren dem Mechthildshäuser Gericht der Eppsteiner pflichtig.

Der Vertrag scheint “wasserdicht”, ließ aber offenbar Interpretationsspielraum zu, wie die Ereignisse ab 1466 zeigen (siehe rechts). Auch stellt sich die Frage, was genau 1270 verkauft wurde.
1270 wurden die Flörsheimer Menschen (homines) an das Domkapitel verkauft, die vorher Eppsteinische Eigenleute waren (Leibeigene gab es noch nicht). Dadurch wurden sie zu Eigenleuten des Domkapitels, über die ab 1270 das Domkapitel die Gerichtsherrschaft und Leibherrschaft inne hatte.

Zur Grundherrschaft:  Bereits zu Eppsteinischer Zeit hatte das Liebfrauenstift in Mainz Grundbesitz in Flörsheim (das Pfarrgut ab 1184), das die Eppsteiner sicher nicht verkaufen konnten. In der ersten Hälfte des 14. Jhdts. nimmt die Zahl der  bekannten Grundbesitzer in Flörsheim deutlich zu. Dazu zählten neben dem Domkapitel: das Erzstift Mainz, das Karthäuserkloster, das Clarenkloster, das Kloster Eberbach, die Herren von Scharfenstein, die Herren von Glimendal und Mainzer Bürger.
Auch Flörsheimer Einwohner hatten bereits 1340 Grundbesitz in Flörsheim: In diesem Jahr verpachtete der Domvikar des Erzstiftes seine Flörsheimer Ländereien an Jacob, den Sohn des Gotze von Flörsheim, der dafür eigene Liegenschaften zu Pfand setzen musste.
Es gab also wenige Jahrzehnte nach dem Erwerb Flörsheims durch das Domkapitel bereits eine Vielzahl von “Grundherren” in Flörsheim, so dass das Domkapitel nicht die “Grundherrschaft” inne hatte und folglich auch daraus keine weitergehenden Rechte ableiten konnte; das Domkapitel war ein Grundbesitzer unter vielen.

Es war die von den Eppsteinern erworbene Gerichts- und Leibherrschaft, die entscheidend für das Domkapitel war (unser flecken flersheim). Ohne die Gerichtsherrschaft wäre das Domkapitel nicht “Herr” in Flörsheim gewesen.
Ab 1270 wurden die Flörsheimer Eigenleute in die Rechtsprechung einbezogen: Die Flörsheimer erhielten ein eigenes Niedergericht, siehe hier, das in den folgenden Jahrhunderten nie in Frage gestellt oder in seiner Kompetenz beschnitten wurde. 
1447 beginnen die Eintragungen im ersten Gerichtsbuch GB 1447-1613 VN. Es enthält gerichtlich beglaubigte Käufe und Verkäufe von Hofreiten, Äckern und Weinbergen (1448 allein 45). Eine Vielzahl von Flörsheimer Einwohnern hatten im 15. Jhdt. einen eigenen Hof und eigenes Land, das sie frei veräußern konnten. Die Testamente und Einkindschaftsverträge des 15. Jhdts. zeigen klar, dass der Besitz vollständig vererbbar war. 
Alle Pachtverträge zwischen den Klöstern und Flörsheimer Einwohnern dieser Zeit waren langfristige Erbpachtverträge. Die Gegenleistung der Pächter bestand in den Pachtabgaben in Naturalien, in sonst nichts.

1466, als Flörsheim unter den Schutz des Erzbischofs gestellt wurde (siehe rechts) ist von Bürgern und Einwohnern Flörsheims die Rede, wobei vermutlich mit “Bürger” die Untertanen des Domkapitels und mit “Einwohnern” die in Flörsheim lebenden Eigenleute/Leibeigene anderer Herrschaften gemeint waren.
In diesem Vertrag werden die Flörsheimer mit allen oberkeyten, horlichkeyten, herrschaften, gerechtigkeyten, gebotten, verbotten, atzungen, volge, dinsten, frondinsten, gewonheyten, uffkommen an den Erzbischof übergeben. Von einer Leibbede ist zwar nicht explizit die Rede, könnte sich aber hinter uffkommen verbergen.
Dies zeigt klar, dass die Flörsheimer Eigenleute des Domkapitels waren, daran ändert auch die Bezeichnung “Bürger” nichts. Ab 1484 werden die Flörsheimer auch als “Untertanen” bezeichnet. 

1466 beginnt der Streit zwischen den Eppsteinern/Königsteinern und dem Domkapitel um die Leibbede der in Flörsheim ansässigen Eppsteiner Eigenleute, die die Eppsteiner drastisch erhöhen wollten und mit Pfändung Flörsheimer Äcker gedroht haben.  (Einzelheiten und Kommentare rechts). Das konnte das Domkapitel nicht zulassen; es musste daran interessiert sein, dass die “Wirtschaftskraft” seiner Dörfer dem Domkapitel zugute kam und nicht an fremde Herrschaften abfloss. 1483 kaufte das Domkapitel den Eppsteinern ihre Eigenleute ab. In der Eingabe der eppsteinischen Eigenleute vom 26. Mai 1478 wird als höchste Vergleichsleibbede 6 alb und 1 Huhn genannt, die die Eigenleute anderer Herrschaften zu zahlen haben, die das Domkapitel auch den Eppsteinern in dieser Höhe zugesteht. Eine Leibbede der Eigenleute des Domkapitels wird nicht zum Vergleich herangezogen, aber sie hat diesen Betrag sicher nicht überstiegen, sonst wäre die Argumentation des Domkapitels in diesem Streit hinfällig geworden (1656 betrug die symbolische Leibbede 1 Huhn und 1 Gans, siehe weiter unten).

Von den Bauernaufständen war das Erzbistum Mainz im Wesentlichen im Oberstift und in Erfurt betroffen. Im Vertrag von Miltenberg 1525 wurde der Mainzer Statthalter gezwungen, die 12 Artikel zu unterschreiben [Blickle 2004]. In Flörsheim gab es offenbar einige “Sympathisanten”, die man aber nicht als Aufständige bezeichnen kann. Sie wurden mit einer Geldstrafe belegt, wie der folgende Eintrag in den Protokollen des Domkapitels zeigt.

1526 Mai 25, Von den Einwohnern von Hochheim, Flörsheim, Trechtingshausen und Heimbach, die sich in der Bäurischen Aufruhr "nit wohl gehalten", soll ein "gebührlicher abtrag" genommen und zum Bau der Kräme gebraucht werden.

Die Untertanen in den domkapitelischen Dörfern wurden nicht regulär zu Frondiensten herangezogen, sondern solche dem Erzbischof nur in Ausnahmefällen gestattet:

1528 Juni 1, Obwohl Kap. den vom Marsch. namens des Eb. den beiden Dörfern Flörsheim und Hochheim angesonnenen Frondienst zu gestatten nicht schuldig, dieser dort auch nicht herkömmlich ist, bewilligt es dem Eb. zu Gefallen doch, dass jedes Dorf in vier Teile geteilt und jeder Teil nacheinander je 1 Tag, jedoch im ganzen nur 3 mal fronen soll. Den Armen soll in diesem Frondienst eine "zimliche liferung" gegeben werden

Frondienste waren nicht “herkömmlich”. Das Domkapitel gestattete ausnahmsweise Frondienste, um dem Erzbischof beim Bau der St. Jacobs-Bastion der Mainzer Stadtbefestigung einen Gefallen zu tun. Es be- schränkte die Fron auf ein Minimum und sorgte für eine gute Versorgung der Frondienstleistenden. Die Einteilung Flörsheims in vier Ortsviertel hat offenbar hier ihren Ursprung.
Zum Bau des Flörsheimer Abschnittes der Kasteler Landwehr ab 1485 wurden zwei Flörsheimer Männer abgeordnet, aber 1488 empfahl das Domkapitel dem Flörsheimer Gericht, die geforderte Ausweitung der Frondienste zu verweigern [Schüler 1887]. Frondienste wurden vom Domkapitel äußerst restriktiv gehandhabt.

Im folgenden Eintrag fordert der Keller (Verwalter) von Rüsselsheim die Lieferung der Besthäupter von Eigenleuten/Leibeigenen des Landgrafen von Hessen-Darmstadt, die in Flörsheim lebten und verstorben sind, sowie ein Verzeichnis der Gefälle (Abgaben), die dem Mainzer Erzstift zustehen.

1544 Februar 1, Fock zeigt an, dass der Keller zu Rüsselsheim schriftlich etliche Besthäupter von landgr. hessischen Angehörigen zu Flörsheim und Hochheim sowie abermals ein Verzeichnis der Gefälle des Domstifts in seinem Amt begehrt.
Fock wird beauftragt, für beide Neuerungen zu bitten, "dann man gestunde niemants der ort einig pesthaupt zu vertheidigen, wer nit der geprauch herkomen, und das ander auch untregliche neuerung".

Beides lehnt das Domkapitel ab und hält es für eine “unerträgliche Neuerung”. Das Domkapitel wollte jeglichen Abfluss von Wirtschaftskraft und Vermögen aus seinem Herrschaftsbereich verhindern und gestattete, wie auch im Streit mit Königstein (rechts), lediglich die Zahlung der Leibbede in üblicher Höhe der Eigenleuten anderer Herrschaften, die in Flörsheim lebten.
Bei der Schilderung des Gerichtswesens in Flörsheim 1587, siehe hier, sagt der Unterschultheiß, das bei Tod eines Dingmans eines Klosters das Besthaupt an das Domkapitel zu liefern sei, wie von anderen armen Leuten auch. Daraus muss man schließen, dass zu dieser Zeit auch von den Eigenleuten des Domkapitels in Flörsheim eine Todfallabgabe verlangt wurde. Es musste aber festgelegt werden, welches das noch were. Die Formulierung legt die Vermutung nahe, dass zu dieser Zeit das Besthaupt bereits eine vermögensabhängige Geldabgabe war.

Der folgende Eintrag von 1539 zeigt, dass Frauen aus der Herrschaft des Landgrafen von Hessen (Rüsselsheim) normalerweise im Erzstift Mainz nicht aufgenommen wurden. Der Grund dürfte klar sein: Nachkommen aus einer Ehe solcher Frauen, auch wenn der Ehemann Flörsheimer war,  wären nach den damaligen Regeln Eigenleute von Hessen gewesen und hätten, wie ihre Eltern, Leibede an den Landgrafen zahlen müssen, was nicht im Interesse des Erzstiftes sein konnte.

1539 August 18, Cunzen Michel von Flörsheim hat eine 60jährige Frau aus Rüsselsheim zur Ehe genommen, die als landgräflich aufgrund der Ordnung im Erzstift Mainz nicht aufgenommen werden dürfe. Doch möge man sie, da sie doch "keins kinds hoffen", stillschweigend in Flörsheim dulden. Genehmigt.

Wie das Domkapitel Freizügigkeit und Ehefreiheit seiner Eigenleute handhabte, ist, nach derzeitiger Kenntnis, nirgendwo schriftlich fixiert, man kann aber davon ausgehen, dass beides auf das Territorium des Erzstiftes begrenzt war. Das stellte allerdings aufgrund der Größe des Territoriums wahrscheinlich keine als große Belastung empfundene Beschränkung dar; es gibt zumindest keinen diesbezüglichen Hinweis in Gerichtsbüchern oder anderen Dokumenten. Die Situation entspannte sich noch, als 1581 Wicker und Weilbach zum Domkapitel kamen.

1637, in einer für Flörsheim ruhigen Phase des 30jährigen Krieges, mussten alle Hausvorstände, die seit 1620 zugezogen waren, dem Domkapitel huldigen, ein Ausdruck ihrer Akzeptanz als Eigenleute des Domkapitels. 

Nach dem 30jährigen Krieg fand zwischen 1660 und 1670 eine ausgeprägte Zuwanderung von meistens unverheirateten Männern und Frauen statt, und die neu entstandenen Familien machten, gemessen an 1660, 35 % aller Familien aus, siehe hier. Die zugewanderten Männer und Frauen wurden offenbar zu Eigenleuten des Domkapitels, wenn sie es nicht schon waren; die Mehrzahl der Zuwanderer kam aus Gebieten des Erzstiftes. Aus dem 17. Jhdt. ist kein Anspruch ausländischer Herrschaften an Eigenleute in Flörsheim bekannt, auch gibt es keinen Hinweis auf Beschränkungen der Freizügigkeit und Ehefreiheit mehr.    

Das erste Flörsheimer Stockbuch stammt aus dem Jahr 1656. Darin sind für jeden Flörsheimer Einwohner sein Besitz an Hofreiten, Äckern und Weingärten verzeichnet, zusammen mit der Abgabe an das Domkapitel. Sie beträgt in der Regel ein Huhn und eine Gans im Wert von etwa 1 fl und gilt für jeden Hofbesitzer, auch z. B. für Georg Lindheimer, der Frankfurter Bürger war, siehe hier. Diese Abgabe ist offenbar ein Relikt der Leibbede, ist aber nicht mehr an die Person, sondern an den Besitz gebunden, und zwar an die Hofreite, wer zwei Hofreiten besitzt, muss 2 Hühner und 2 Gänse liefern; die Zahl der dort lebenden Menschen spielt keine Rolle. Die Leibbede war spätestens 1656 zu einer Grundsteuer geworden.

1684 wird  in einem Inventar eines wohlhabenden Mannes (Johannes Nauheimer d. Ä.)  die Lieferung des “Besthauptes” im Wert von 10 fl an das Domkapitel festgehalten (GB 1675-1690 VN); in Inventaren weniger wohlhabender Einwohner des 17. Jhdts. ist kein Besthaupt aufgeführt. Die Todfallabgabe war zu einer vermögensabhängigen Erbschaftssteuer geworden.

Die Flörsheimer Untertanen des Domkapitels waren von 1270 bis zum 18. Jhdt. Eigenleute des Mainzer Domkapitels, wenn auch dieser Begriff für die Flörsheimer selbst in keinem bekannten Dokument des Domkapitels erscheint; sie werden als  “Arme Leute”, “Bürger”,  “Einwohner” oder “Untertanen” bezeichnet in deutlicher Abgrenzung zu den Eigenleuten anderer Herrschaften.
In unserem heutigen Verständnis von Freiheit waren sie nicht frei. Ihre Freizügigkeit und Ehefreiheit war beschränkt, sie mussten Leibbede (bis spätestens 1656) und eine Todfallabgabe zahlen.
Sie hatten aber ein vom Domkapitel respektiertes eigenes Niedergericht, das mit Flörsheimer Einwohnern als Schöffen besetzt war; alle Unterschultheiße waren Flörsheimer.
Sie waren nur in Ausnahmefällen zu Frondiensten und nicht zu Kriegsdiensten verpflichtet und konnten ihren Besitz vollständig vererben. Insofern ging es ihnen besser als in vielen anderen Territorien des Reiches, wo in norddeutschen und ostelbischen Gebieten im 17. und 18. Jhdt. sich die Leibeigenschaft zu ihrer menschenunwürdigsten Form entwickelte.

Die Flörsheimer Untertanen des Domkapitels konnten mit diesen Verhältnissen offenbar gut zurechtkommen. Sie fühlten sich nicht unfrei, das Problem war ihre harte wirtschaftliche Situation. Die bekannten Beschwerden über ihre Lebenssituation im 17. Jhdt.  finden sich nicht in in Klagen über fehlende Freiheit, sondern über zu hohe Pachtabgaben, die 50 % des Ertrages übersteigen konnten. Viele Flörsheimer Einwohner hatten allerdings eigenes Land, insbesondere Weingärten, deshalb muss man zwischen verschiedenen Einwohnergruppen differenzieren,  siehe Einkommenstruktur der Bevölkerung.
Im Vergleich zu vielen anderen Reichsterritorien  galt, zumindest, was ihren Rechtsstatus als Untertanen betrifft, für die Flörsheimer der frühen Neuzeit: Unter dem Krummstab ist gut leben.     
    

Zur “Eigenschaft” gehörte, was der Herrschaft eigen war, Ländereien, Dörfer, Höfe und die Menschen. Diese Menschen waren die Eigenleute, die verpflichtet waren, die Güter der Herrschaft zu bewirtschaften und dafür Abgaben in Naturalien (Pacht) lieferten. Sie konnten zu Frondiensten, nicht zum Kriegsdienst, herangezogen werden, zahlten eine Leibbede (Leibsteuer), konnten vererbbaren Besitz, bewegliches und liegendes Gut, erwerben, waren aber in ihrer Freizügigkeit und Ehefreiheit beschränkt und konnten mit Land und Hof an eine andere Herrschaft verkauft werden, was die Lebensumstände der Eigenleute in der Regel nicht wesentlich verändert haben dürfte. Eigenleute konnten unabhängig von Hof und Land nicht veräußert werden. 
Auf der anderen Seite war die Herrschaft verpflichtet, ihren Eigenleuten Hof und Land zur Verfügung zu stellen,  damit ihre Familien ein Auskommen hatten und den Eigenleuten Schutz und Beistand zu gewähren. Es konnte eine win-win-Situation sein; manche freie Bauern begaben sich in den Status von Eigenleuten, um die damit verbundenen Vorteile zu genießen. Nach [Blickle 2003] war das im Mittelalter der Rechtstatus des weit überwiegenden Teils der Bevölkerung.
Allerdings gab es Herrschaften, wo im Spätmittelalter bereits die “Freiheit” der Eigenleute stark eingeschränkt war. In [Blickle 2003] werden beeindruckende Beispiele von Klosterherrschaften im Süden des Reiches geschildert, wo die Eigenleute gar keine Freizügigkeit hatten und nur innerhalb der “Genossenschaft” heiraten konnten (“genossame Ehe”). Der Rechsstatus des “minderen” Ehepartners bestimmte den Rechtsstatus beider Eheleute, der auf die Kinder übertragen wurde.  Hinzu kamen Todfallabgaben, die einen erheblichen Teil der Erbschaft ausmachen konnten. Im günstigsten Fall bestand die Todfallabgabe im Besthaupt, dem besten Stück Vieh. Die Motivation dieser Herrschaften war, die Eigenleute mit solchen Maßnahmen am Wegzug zu hindern, um ihre wirtschaftliche Existenz, die auf Landwirtschaft beruhte, sicherzustellen.
Die Situation verschärfte sich im Laufe des 15. Jhdts. mit der enormen Entwicklung der Städte. In vielen Städten waren Eigenleute, die in eine Stadt zogen “nach Jahr und Tag” frei und ihrer früheren Herrschaft nicht mehr verpflichtet. Viele ländlichen Herrschaften waren durch diese Stadtflucht  in ihrer Existenz bedroht und griffen zu teilweise drastischen Maßnahmen.
So wurden Treueeide (Verschreibung, Huldigung) durch mehrwöchige Gefängnisstrafen erzwungen, und die Todfallabgabe konnte die gesamte Erbschaft umfassen. Wer in bestimmte Herrschaften zog, wurde eigen, unabhängig von seinem früheren Status. Die frühere “Eigenverfassung” [Blickle 2003], die sicherstellte, dass die Eigenleute an der Rechtsprechung beteiligt waren (Niedergerichte, Dingtage, die Herrschaft holte von den Eigenleuten das Weistum ein), verschwand
Die Eigenleute waren unter diesen Herrschaften zu Leibeigenen geworden. Der Begriff “mit dem libe eigen” entstand um 1500.  Die wesentlichen Merkmale der Leibeigenschaft in der stringenten Form waren: Zwang zu Frondiensten und anderen Dienstbarkeiten, Leibbede, Verlust von Freizügigkeit und Ehefreiheit, Todfallabgaben bis zum Verlust des gesamten Besitzes, keine maßgebliche Beteiligung an der Rechtsprechung.   

Ruine der Burg Eppstein, Ersterwähnung 1122, Ende des 12. Jhdts. kam die Burg an die Herren von Hainhausen, die sich danach Herren von Eppstein nannten.  Fotografie: Johannes Robalotow 2002

Audienz beim Reichskammergericht, Kupferstich, Frankfurt 1750, Städtische Sammlungen Wetzlar.
Das Reichskammergericht wurde 1495 mit erstem Sitz in Frankfurt gegründet, damit Konflikte verschiedener Herrschaften nicht durch Krieg oder Fehde, sondern durch Rechtsprechung gelöst werden konnten.

Bei diesem Thema drängt sich ein Vergleich mit unserer heutigen Lebenssituation auf:

Die Belastung eines Single-Haushaltes mit Steuern und allen sonstigen Abgaben bei einem Bruttomonatseinkommen von 5000 € liegt über 60 % des Einkommens (2020).

Die Miete (Pacht) von Wohnraum hat in manchen Gebieten Größenordnungen erreicht, die für viele nicht mehr leistbar sind. In manchen Städten muss für Wohnungsmiete mehr als 40 % des Durchschnittseinkommens aufgewandt werden.

Nach der Definition relativer Armut gelten heute 15 % der Bevölkerung als arm.

Sondersteuern wie der Solidaritätszuschlag werden, wie in der frühen Neuzeit, erhoben und erwartungsgemäß nicht mehr zurückgenommen, auch wenn der Grund für diese nicht mehr besteht.

Abhängig von der Höhe kann ein Besitz, der mit versteuertem Einkommen gebildet wurde, nicht vollständig vererbt werden. Erbschaftssteuer (Todfallabgabe) und  Vermögenssteuer sind Dauerbrenner der politischen Diskussion.

Die allgemeine Wehrpflicht bestand bis vor einigen Jahren in der Ableistung eines 18-monatigen Wehrdienstes, eine Art verschärfter Frondienst (Kriegsdienst) von eineinhalb Jahren.

Wir sind freie Staatsbürger und unsere Grundrechte sind in einer Verfassung niedergelegt. Wir  können hinziehen, wohin wir wollen, und wir können heiraten, wen wir wollen. An der Rechtsprechung sind wir indirekt beteiligt. 

Eine interessante Frage ist, ob die Leute unter der Herrschaft des Domkapitels mit uns getauscht hätten?

Leibeigenschaft und Eigenleute in Flörsheim