Das “erste” Flörsheimer Kirchenbuch enthält in sehr unterschiedlicher Qualität der Aufzeichnungen und lückenhaft Eintragungen für den Zeitraum von 1601 bis 1712.
Die Qualität der Schrift reicht von gut lesbar bis fast nicht lesbar, trotzdem konnte das „erste“ Kirchenbuch genealogisch ausgewertet werden [Klein 1939], [Flörsheimer 1983].

Die Flörsheimer Kirchenbücher wurden in den 1970er Jahren von den Mormonen (Mormonen: Kirche Jesus Christus der Heiligen der letzten Tage, Salt Lake City, USA) mikroverfilmt, die Pfarrei St. Gallus besitzt eine Kopie dieser Mikrofilme. Die Auswertung dieser mikroverfilmten Seiten aller Kirchenbücher trug wesentlich zur Schaffung einer genealogischen Datenbank Flörsheims bei.

Die Mikrofilmaufnahmen des ersten Kirchenbuches deuten darauf hin, dass das Buch ursprünglich aus zwei getrennten Teilen bestand, die nachträglich in einem Band zusammengeführt wurden. Die Inspektion des Originals im Diözesanarchiv in Limburg bestätigt diese Vermutung:
Das Buch besteht aus zwei Teilen, einem älteren mit regelmäßigen Eintragungen bis 1635 und einigen Seitenfragmenten mit Eintragungen bis 1646 und einem neueren Teil beginnend 1653. Offenbar hat Pfarrer Johann Adam Brück, der 1653 mit dem neuen Buch begann, das alte Buch in sein neues integriert, was auch vom Gesamtbild erkennbar ist, Abb. rechts oben.
Die erste Seite (rechts) gehört eigentlich an den Beginn des neuen Buchteils. Der Text lautet:

Kirchenbuch der Pfarrgemeinde Flörsheim, es enhält die Namen der Getauften, der Ehemänner und Ehefrauen und der Verstorbenen ab dem 24. September 1653.

Pfarrer Melchior Sanders begann 1601 mit dem ersten Flörsheimer Kirchenbuch (erster Buchteil), seine Schrift ist kaum lesbar. Auch unter Pfarrer Bartholomäus Elbert sind die Einträge nur Heiratseinträge. Beispiele aus dieser Zeit ganz unten auf dieser Seite.
Der ältere Teil des Buches umfasste ursprünglich wahrscheinlich 140 Seiten, wovon einige Seiten nicht oder nur spärlich beschrieben sind. Anders als im neueren Teil, wo jeweils getrennte Buchbereiche für Taufen, Sterbefälle und Heiraten benutzt werden, wie auch in allen späteren Kirchenbüchern, sind im alten Teil die Einträge für Taufen, Sterbefälle und Heiraten nicht immer getrennt sondern mehr oder weniger chronologisch geordnet.

Ab 1621 beginnen die Eintragungen unter Pfarrer Dungscherer von Taufen, Sterbefällen und Heiraten. 1635 reichen die Sterbeeinträge nur bis zum Mai, 1636 finden sich nur rudimentäre Einträge. Die Amtszeit von Pfarrer Dungscherer endete 1636.
Bis dahin sind die Seiten unbeschädigt. Danach sind die noch erhaltenen Seiten stark beschädigt und wurden von Pfarrer Johann Adam Brück als Fragmente und Schnipsel in das neue Gesamtbuch gerettet. Die letzten Seiten des ersten Buchteils wurden offenbar gegen Ende des 30jährigen Krieg beschädigt bzw. zerstört.

Genau wie die Gerichschreiber haben auch die Pfarrer nicht in ein gebundenes Buch mit leeren Seiten geschrieben, sondern auf lose Blätter auf ebener Unterlage, die erst später zu einem Buch gebunden wurden, siehe dazu auch hier.

Für 1637 sind keine Einträge erhalten, für 1638 gibt es 5. Für 1639 und 1640 existieren keine Einträge. Da auf der  Seite mit dem ersten Eintrag von Pfarrer Honnecker 1641 noch die letzten Einträge von 1638 zu finden sind, muss man schließen, dass unter Pfarrer Lanius (1639/40) kein Kirchenbuch geführt wurde. Pfarrer Lanius hatte die gesamte Gemeinde gegen sich, die sich weigerte, Sakramente von ihm zu empfangen und seine Ablösung forderte, was 1641 geschah. Es ging das Gerücht, dass er in seiner vorigen Stelle in Aschaffenburg Kinder im Namen des Teufels getauft hatte [Schichtel 1967].
Die letzten Fragmente enthalten rudimentäre Einträge von 1641 bis 1646 von Pfarrer Honecker. Der hat allerdings bereits nach seinem Amtsantritt 1641 keine korrekten Einträge vorgenommen, was man daran sieht, dass sich auf  der gleichen Seite die Jahre 1641 bis 1644 mit nur jeweils ein Sterbeeintrag finden (Abb. rechts).
Nach Ende des Krieges 1648 bis 1652 gibt es keine Einträge. Pfarrer Honnecker hat offenbar von Anfang an bis zu seiner Ablösung 1652 kein richtiges Kirchenbuch geführt. Pfarrer Honecker kam in Flörsheim nicht zurecht und hatte bereits 1645 um seine Versetzung nachgesucht.
Dass es von 1639 bis 1652 keine verwertbaren Kirchenbuchdaten gibt, ist nicht primär kriegsbedingt, das Problem waren die Pfarrer Lanius und Honecker.

Die Seiten des zweiten Buchteils sind zwar alle erhalten, aber die Eintragungen der Pfarrer Vogel, Hellriegel und Huberti sind nicht vertrauenswürdig bzw. unvollständig, siehe weiter unten. Erst unter Pfarrer Lamberti (1727-1773) beginnt wieder eine korrekte Kirchenbuchführung.
Die letzten 35 Seiten des neuen Teils enthalten Diverses: Das Gelöbnis des “Verlobten Tages” von Pfarrer Laurentius Münch, ein Bericht über die Pestzeit von Pfarrer Gerhard Lamberti nach 1727, jährlich wiederkehrende Seelenmessen, Geschenke an die Kirche und rudimentäre Einträge von Geburten und Heiraten Haßlocher Einwohner. Zur Pest 1666 und zum Verlobten Tag siehe hier.

Man kann nicht prinzipiell davon ausgehen, dass die Eintragungen in den Kirchenbüchern zuverlässig sind, das gilt insbesondere für das erste Kirchenbuch. Ein paar Stichproben genügen, um Unplausibilitäten zu finden. Um Unregelmäßigkeiten der Eintragungen sichtbar zu machen, aber insbesondere auch als Grundlage einer Simulation der Bevölkerungsentwicklung, ist es notwendig, die Zahl der Taufen, Sterbefälle und Heiraten pro Jahr zu erfassen; Ergebnis in den Diagrammen rechts. Dazu wurde auch das zweite und dritte Kirchenbuch bis 1800 ausgewertet.

Der Verlauf der Totenzahlen zeigt Spitzen, wo die Totenzahlen gegenüber dem Normalniveau deutlich erhöht sind. Diese Spitzen korrelieren klar mit Kriegsereignissen bzw. mit der Pestepidemie 1666:
- 1622 Schlacht bei Höchst
- 1631 Einnahme von Mainz durch die Schweden und Besetzung von Flörsheim
- 1674 niederländ.- französ. Krieg mit kaiserlichen Truppen unter Feldmarschall Bournonville im Lager in Flörsheim
- 1743/44 österreichischer Erbfolgekrieg, Details hier
- 1759/60/61 siebenjähriger Krieg
- 1792/93/94 1. Revolutionskrieg. 

Aufffällig ist, dass umnittelbar nach Jahren mit sehr hohen Sterbefällen die Totenzahlen sehr niedrig sind (besonders markant nach 1666). Das kann man erwarten, da in Katastrophenjahren vorwiegend Alte, Kranke und Schwache sterben, so dass die überlebende Bevölkerung danach eine geringere Sterblichkeit als in normalen Jahren aufweist.

Die Totenzahlen zwischen 1675 und 1727 sind allesamt unrealistisch, was vorwiegend darauf beruht, dass tote Kinder häufig nicht eingetragen wurden. Pfarrer Huberti hat überhaupt keine toten Kinder eingetragen. Da Kinder etwa 60 % aller Toten ausmachten, sind diese Angaben für statistische Auswertungen nicht brauchbar, mehr dazu in Bevölkerungsstatistik.

Bei den Geburten reichen die Eintragungen von Pfarrer Dungscherer bis zum Ende seiner Amtszeit 1636. Regelmäßige Eintragungen beginnen wieder unter Pfarrer Johann Adam Brück 1653 mit niedrigeren Geburtenzahlen als in der Zeit zwischen 1620 und 1636. Ab 1665 ist ein steiler Anstieg der Geburtenzahlen zu erkennen, der ab 1670 in eine normale Entwicklung mündet. In einer geschlossenen Population (keine Zu- oder Abwanderungen) ist ein solcher Sprung in den Geburtenzahlen nicht möglich.
Die Fluktuation im Verlauf der Geburtenzahlen, also das Auf und Ab von Jahr zu Jahr, darf, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht ereignis- oder umständebedingt interpretiert werden, etwa als Folge von guten oder schlechten Erntejahren. Die Geburt eines Kindes ist ein statistischer Vorgang. Solche Vorgänge unterliegen elementaren statistischen Schwankungen, auch wenn alle äußeren Umstände gleich bleiben. Die Schwankungen im Geburtenverlauf  entsprechen weitgehend dem, was man mathematisch erwarten würde.

Zwischen 1690 und 1700 gehen die Geburtenzahlen auf ein Niveau zurück, was bedeutete, wenn dieser Einbruch real wäre, dass fast alle Einwohner den Flecken verlassen haben müssten.
1688 begann der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688-1697), 1689 wurde die Rüsselsheimer Festung gesprengt, aber auf der Seite rechts des Mains fanden keine größeren Kriegshandlungen statt. Flörsheim war zwar zeitweise besetzt, und es gibt  in GB 1675-1690 V/N einen Eintrag (1690), wo von einem grossen dumult der franhzohsen die Rede ist, aber kein wesentlicher Teil der Bevölkerung hat  das Dorf verlassen, wie man anhand der Wirtschaftsaktivitäten nachweisen kann, siehe Bevölkerungsstatistik.
Aufschlußreich ist das folgende Dokument von 1697, in der sich die Flörsheimer beim Domdechanten wegen überschwenglicher Viehhaltung beschweren und um eine neue Ordnung bitten, wer wieviel Zug- und Stallvieh halten darf:
Actum Flörsheimb den 6ten May 1697 (HHStAW 105/490)
Nachdeme Aus Gnädigem befehl des Hochwürdigen Hoch Undt Wohlgeborenen frayherrn Herrn Johan Philipus CrayffenClaw Von Volratz Domdechanten Zu Mayntz Unseres HochgePiettend Gnädigen Herrn in ahnhehrung hiriger Gemeindt Viellfältiger beschwerd wegen des überschwencklichen Viehehaltens, widerumb auch die alte Ordnungh Neue beschraybung, was und wie Viell Ein jeder Undterthan des orts ahn Zugk Undt Stall Viehe macht Zu halten haben soll ---
In einem fast entvölkerten Dorf, wie es die Geburtenzahl 1697 impliziert, hätte sich die Gemeinde wohl kaum wegen ausufernder Viehhaltung beschwert.

Die Kirchenbuchseiten dieser Zeit vermitteln einen chaotischen Eindruck (Abb. rechts). Am Beispiel 1695 und 1696 erkennt man die regulären Einträge und die Vielzahl von an die Ränder gekritzelten Nachträgen. Wie kann es sein, dass der Pfarrer, Johann Gallus Vogel, einige reguläre Taufeinträge vornimmt, das Kirchenbuch also vorhanden war, aber eine Vielzahl von Taufen nachtragen muss?
Das folgende Beispiel belegt klar ein Eintragungsproblem:
Johann Adam Ruppert, geboren 1658, heiratete 1683 Catharina Melchior. Die Kinder werden in den folgenden Jahren geboren: 1683 - 1685 - 1688 - 1690 -------- 1698 - 1704 - 1706 - 1707. Eine Geburtenlücke von 8 Jahren bei einer Frau, die normalerweise alle 2 Jahre ein Kind zur Welt bringt, ist äußerst unwahrscheinlich. Theoretisch hätten die Geburten zwischen 1690 und 1698 auch außerhalb Flörsheims stattfinden können, aber Johann Adam Ruppert war in dieser Zeit nachweislich in Flörsheim, wie man dem Gerichtsbuch GB 1690-1705 V/N entnehmen kann: 1691 ist er Weingartenschütze, 1692 macht er Schulden bei der Gemeinde, 1696 zahlt er 50 fl Schulden zurück, und 1697 kauft er eine Hofreite im 3. Viertel.
Kinder von J. A. Ruppert, die zwischen 1690 und 1698 geboren wurden, sind nicht im KB eingetragen!

In der Zeit zwischen 1690 und 1700 gibt es im Kirchenbuch nicht nur erhebliche Unterregistrierung, sondern auch Falscheinträge , wie die folgenden Beispiele (von vielen) zeigen:

Johannes Kohl: laut Teilungserklärung vom 14.11.1691 tot --  laut KB am 8.3.1693 beerdigt
Jacob Cluin:
laut Inventar am 14.1.1692 tot – laut KB am 18.1.1695 beerdigt
Nicolaus Hart: laut Testamentseröffnung am 9.12.1693 tot – laut KB am 15 8.1694 beerdigt

Aber auch nach 1700 stimmen Sterbedaten nicht (da war der Krieg schon lange vorbei):
Anno 1705 den 25ten Decembris ist Jörg Wieget in eine tödliche Kranckheit gerathen, und sich Mitt der letzten Öhlung Versehen lassen---  (Kirchenprotokoll)
Laut Kirchenbuch wurde Georg Wiget am 14. August beerdigt
.

Offenbar hatte der Pfarrer J. G. Vogel, wie auch seine beiden Nachfolger, Probleme mit der Kirchenbuchführung. Die Gerichtsbücher in diesem Zeitraum andererseits wurden sehr sorgfältig geführt.

Betrachtet man die Heiratseinträge, so erscheint im Jahr 1632 eine ausgeprägte Spitze in den Heiratszahlen. Hier dürften geplante Heiraten in Erwartung längerer schwedischer Besatzung vorgezogen worden sein. Nach 1636 bis 1653 gibt es keine Heiratseinträge. Dass in diesem Zeitraum niemand geheiratet hat, kann man ausschließen. Die Gründe für die Nichteintragungen sind die oben geschilderten.
Die Spitze von 1667 geht wahrscheinlich darauf zurück, dass Heiraten im Pestjahr 1666 aufgeschoben und dann 1667 nachgeholt wurden.
 

Zahl der Geburten, Toten und Heiraten pro Jahr von 1620 bis 1800
Die Daten entsprechen 15.130 Kirchenbucheinträgen.  

Taufeinträge für 1695 und 1696. Man erkennt die regulären Einträge und die Vielzahl von Nachträgen an den Rändern.

Flörsheimer Pfarrer und deren Amtszeit [Schichtel 1967]. Die Eintragungen der hellviolett markierten Pfarrer sind nicht vertrauenswürdig.

Letzte Einträge von 1636 (linke Seite), rechts der Beginn der Eintragungen von Pfarrer Honnecker 1641, darüber noch Einträge von 1638

LIBER ECCLESIAE PAROCHIALIS FLORSHEIMENSIS
Continens Nomina
Baptizatorum et Sponsorum
et Sponsarum et Defunctorum
ab Anno 1653  24 Septem.

Die 3. Seite des ersten Buchteils, Pfarrer Melchior Sanders 1601, der erste Eintrag lautet:
Montag den 26, Novemb. Seind diese beyde Johan Peter Wolpert und die züchtige Jungfrau Margar. Jerkel Haustochter zu Flerschem zu Lor zur Kirchen gegangen.
zu Johan Peter Wolpert und dem Wolpert´schen Keller siehe hier

Heiratseinträge im ersten Buchteil 1610 und 1611 von Pfarrer Bartholomäus Elbert
Unter Pfarrer Elbert wurde die Kirche neu geweißt. Dabei gab es Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung der Gelder, siehe hier.

Taufeinträge 1655 und 1656 unter Pfarrer Johann Adam Brück

Beginn des neuen Buchteils 1653 durch Pfarrer Johann Adam Brück, links der letzte Rest des alten Buches.

Das "erste" Kirchenbuch