Die Landschaft der Gemarkung Flörsheim wurde ganz wesentlich durch den Main gestaltet. Während heutzutage der Main ein durch Schleusen und uferbauliche Maßnahmen geregelter Fluss ist, und sich seine Wirkung auf die unmittelbare Nähe des heutigen Flusses beschränkt, griff er im 17. Jhdt. und davor in Bereiche der Gemarkung ein, die wir heute auf den ersten Blick gar nicht mehr mit dem Fluss selbst in Verbindung bringen.
Rechts ein Ausschnitt einer Karte, in der die Altläufe des Mains eingetragen sind [Nahrgang 1934]. Für die Prägung der Flörsheimer Landschaft ist ein Altlauf entscheidend, der, nördöstlichlich von Eddersheim kommend, sich nahe der Gemarkungsgrenze in zwei Arme gabelt. Der südliche Arm ist nichts anders als der Erdelgraben, der in geringer Enfernung zum Oberturm in den Main mündete. Der nördliche Arm, im 17. Jhdt. nur in sehr regenreichen Jahren wasserführend, verlief oberhalb des Dorfes, machte beim See und Seegraben einen scharfen Knick und kreuzte zwischen Dorf und Flörsheimer Bach den heutigen Mainlauf.
In der Skizze rechts und in Plan K sind diese beiden Altarme eingetragen zusammen mit Teilen der 95 m- und 90 m-Höhenlinien, die sich in den letzten 400 Jahren sicher nicht verschoben haben. Die Geländebereiche unterhalb 90 m sind die tiefliegendsten Stellen in der Flörsheimer Gemarkung (außer dem Main und dem Mainufer).
Der Erdelgraben, der untere Altarm, verläuft am unteren Rand einer durch die 90 m-Höhenlinie begrenzten Mulde. Das Land in dieser Mulde ist das “Ried” (Plan H), vom mittelhd. riet, in der Bedeutung schilfbewachsenes, mit Wassertümpeln durchsetztes Gelände. Die Flurbezeichnung riet erscheint bereits 1290. Das Ried steht in regenreichen Zeiten noch heute unter Wasser, und auch nachdem das Wasser des Erdelgrabens über den Umflutsgraben an der Gemarkungsgrenze zu Eddersheim in den Main abgeleitet wird, hat diese Landschaft ihren Charakter geprägt durch Schilf und Wassertümpel erhalten (Bilder unten).
Geht man vom mittleren Bereich des Erdelgrabens nach Norden in Richtung Ahler, erreicht man erst nach mehr als einem Kilometer die 95 m - Höhenlinie. Danach steigt das Gelände steiler an; die Landwehr am Ahler liegt auf 120 m Höhe. Der obere Altarm des Mains verlief hier und auch weiter westlich entlang dieser 95 m - Höhenlinie.
Zwischen diesen beiden Mainaltarmen befindet sich somit im Osten der Gemarkung ein tiefliegender Landbereich der noch zu Beginn des 17. Jhdts. zusammen mit dem Ried ein großes, zusammenhängendes Feuchtgebiet war.
Die Bezeichnung für dieses Gebiet war 1290, 1320 und danach bis ins 16. Jhdt. harland, seltener auch harlat. 1357 gibt es in der Nähe der Flur eich ein hor anegewande. Im Harland selbst lagen weder Äcker noch Wiesen.
Das althd. Wort „har“ (vergl. Haare) bedeutet Flachs [ShFnb]; das althd. Wort „hor“ bedeutet feucht, sumpfig (vergl. Horlache). Die Bezeichnung der frühen Flörsheimer für diese Gegend war offenbar horland, woraus viele Schreiber in Mainzer Urkunden harland gemacht haben; im Flörsheimer Dialekt ist „har“ gleich „hor“.
Flachsanbau ist zu keiner Zeit in Flörsheim nachweisbar; insbesondere scheidet das harland als Flachsanbaugebiet aus: Flachs verträgt keine Staunässe oder anmoorigen Boden.
1656 liegt hier die Mittelflur „Neues Feld“ (Plan H), eine Flurbezeichnung, die zum ersten Mal 1612 auftaucht. Diese Flurbezeichnung kann dem Wortsinn nach nur bedeuten, dass hier Felder entstanden, die vorher nicht existierten. Offensichtlich wurde das Sumpfgebiet Harland entwässert und urbar gemacht. Dies muss um 1600 geschehen sein.
Die im Westen diese Gebietes liegende Kleinflur „Platte“, nach der die heutige Plattstraße benannt ist, erscheint erst 1545, was zeigt, dass auch dieses Gebiet erst spät als Ackerland erschlossen wurde. Die an dieses Sumpfgebiet angrenzenden Flure Eych im Süden und Katzelücke im Norden sind sehr viel älter, sie liegen beide höher.
Um dieses Gebiet zu entwässern, mussten Gräben, dem natürlichen Gefälle des Geländes folgend, gezogen werden; das war nur durch den Bau von Wassergräben zum Erdelgraben möglich. Die obere Riedbrücke im Riedweg hat vermutlich einen solchen Graben überbrückt.
Die Entwässerung eines so großen Gebietes in den Erdelgraben dürfte zu erheblichen Problemen mit dessen Wasserstand geführt haben, was insbesondere an seiner Mündung in Ortsnähe unangenehm war. Der Erdelgraben musste deshalb seinerseits durch Gräben zum Main entlastet werden, analog zum heutigen Umflutsgraben, der 1740 entstand. Dies erklärt die Existenz der Brücken im Eddersheimer Pfad und im Auweg. Aus dem Fehlen einer Brücke im Mittelpfad kann man folgern, dass dieser Weg kein Durchgangsweg nach Eddersheim darstellte.
See und Seegraben, Reste des oberen Mainaltarms, liegen in einer ähnlichen 90 m - Mulde, in der noch Anfang des 20. Jhdts. in regenreichen Jahren Wasser stand. Dieses Gebiet wurde erst 1925 durch Drainagerohre zum Flörsheimer Bach entwässert. Zu Bildern der genannten Flure heute sie hier.
In Fortsetzung des oberen Mainaltarms in Richtung Main findet man die alten Flurbezeichnungen Gösselsee und Weiherborn, siehe hier.
Die Skizze rechts unten zeigt den überschwemmten Gemarkungsbereich bei einem Mainhochwasser, das die Gemarkung bis etwa zur 90 m - Höhenlinie geflutet hat. Dabei sind die durch den Flörsheimer Bach überfluteten Äcker und Wiesen nicht berücksichtigt. Ph. Schneider erwähnt, er habe von alten Leuten erfahren, dass in „nassen Jahren“ das Wasser vom Kreuzweg bis zum Main stand.
Im 17. Jhdt. war die mittlere Temperatur auch in unserer Gegend deutlich niedriger als heute. Die Winter begannen früher und dauerten länger an, die Sommer waren oft kühl und feucht. 1698 war der Rhein zugefroren (GB 1690-1705 V/N). Die Meteorologen bezeichnen diese Zeit als „Kleine Eiszeit“ [Behringer 2007], deren Höhepunkt im 17. Jhdt. lag. In Flörsheim hatte das in Verbindung mit dem Hochwasser erhebliche Konsequenzen für die Landwirtschaft. Die weiten, überfluteten Gebiete im Nieder- und Oberfeld waren häufig noch im März Eisflächen, zu einer Zeit, in der das Sommergetreide ausgesät werden musste. Auch hier entstehen Fragen im Hinblick auf eine Dreifelderwirtschaft, da die drei Großfelder bezüglich des Ackerbaus nicht gleichberechtigt waren, siehe hier.
Hochwasser 1656 Unter der Annahme, dass ein Hochwasser bis an die 90 m - Höhenlinie reicht.
Das Ried; Blick vom Riedweg nach Osten, im Hintergrund der baumbestandene Umflutgraben. Man kann klar das Bett des unteren Mainaltarms (Erdelgraben) erkennen.
Aufnahmen 2011
Alte Mainläufe in der Flörsheimer Gemarkung Die Altläufe des Mains waren noch
in historischen Zeiten in regenreichen Jahren echte Wasserläufe. Gesamtkarte hier.
Altarme des Mains Im 17. Jhdt. führte der untere Mainarm noch Wasser (Erdelgraben), der obere Altarm führte nur in sehr regenreichen Jahren Wasser, Teile des oberen Mainarms waren ständig noch in Gestalt des Sees und des Seegrabens erhalten. Das Harlat (Harland) war um 1600 noch ein großes Sumpfgebiet.
Das Harland heute, vom Weilbächer Weg nach Süden, man erkennt die weite Senke Aufnahme 2013